Marburger Bahnhof – In der Stille der Nacht


Marburg gilt dank der Deutschen Blindenstudienanstalt e. V. als die Stadt der Blinden in Deutschland. Nirgendwo sonst gibt es in unserer Republik gemessen an der Einwohnerzahl einen so hohen Anteil an sehbehinderten und blinden Menschen. Deshalb ist es auch kaum verwunderlich, dass die Infrastruktur besser auf blinde und sehbehinderte Menschen abgestimmt ist als in anderen Städten.

Zum Beispiel sind nahezu alle Bushaltestellen mit Sprachansagen und Displays ausgestattet, es gibt ein sehr gut ausgebautes Blindenleitliniensystem, Ampeln geben akustische Signale.

Aber genau bei letzterem hat man sich jedoch für eine nicht nachvollziehbare Einschränkung entschieden.

Am Marburger Bahnhof gibt es sowohl Ampeln mit Licht- und Tonsignal, als auch welche ohne Lichtsignal. Man hört also in der Tat nur ein Tonsignal, wenn diese auf „Grün“ umschalten und das Signal über einen Knopf angefordert wurde.

Jedoch gab es wohl einige, dort ansässige Personen, die davon nicht so begeistert waren. Die Konsequenz:

Ab 22 Uhr werden die Tonsignale an den Ampeln abgeschaltet. Sie sind dann auch nicht mehr aktivierbar, wenn man den kleinen Knopf unterhalb des Schalters betätigt. Nun kann ich als sehbehinderter Mensch die Lichtzeichen noch sehr gut wahrnehmen (genau genommen blenden sie mich so stark, dass ich außer rot oder grün nichts mehr von meiner Umgebung sehe). Eine blinde Person ist nun aber aufgeschmissen. Sie kann den Bahnhof nicht mehr ab 22 Uhr gefahrlos überqueren.

In meinen Augen ist das ein absolutes No-go. Wie kann es eine Stadt schaffen, nachts die Barrierefreiheit abzuschalten, nur weil sich einige (sehende) Menschen an einem Piepton, der sowieso nur ertönt, wenn er aktiv angefordert wird, gestört fühlen?


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