Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf meinem Instagram-Account veröffentlicht – genau genommen war es eine Frage, auf die ich gutes und interessantes Feedback erhalten habe. Ich werde hier den Original-Beitrag zitieren und danach meine persönliche Meinung zu diesem Thema sagen.
Während meines O+M-Trainings (Orientierung und Mobilität) wurde mir beigebracht, dass es drei Arten der Kennzeichnung von (hochgradig) sehbehinderten oder blinden Menschen gibt: Den weißen Stock, Führhund mit Geschirr und zwei gelbe Armbinden mit drei schwarzen Punkten. Versucht man sich, im Internet schlau zu machen, wird man jedoch enttäuscht. Auf diversen Seiten erfährt man immer das selbe: Blinde und hochgradig sehbehinderte Menschen müssen sich kennzeichnen. Genannt werden die drei bereits erwähnten Methoden, aber nicht, ob nun eine ausreicht. Auch spricht der Gesetzgeber von einer ausreichenden Kennzeichnung, definiert aber nicht näher, wie diese aussieht.
Ich komme deshalb auf dieses Thema, weil ich gestern in einer Parkanlage von einem Passanten wütend gefragt wurde, wo denn meine Blindenbinde ist und dass ich sie gefälligst tragen soll und sonst nicht rausgehen darf. Geht’s noch? Zumal die Aussage Blindenbinde (Singular!) vollkommen falsch war. Ich finde es immer wieder interessant, wie mir normal sehende Menschen sagen wollen, wie ich mich als hochgradig sehbehinderter Mensch gefälligst zu verhalten habe.
Aber wie kennzeichne ich mich eigentlich? Ich nutze den weißen Langstock. Allerdings habe ich schon überlegt, für Restaurants (gerade, wo es Buffet gibt), zwei Armbinden zu tragen. Nutzt ihr verschiedene Kennzeichnungen für verschiedene Orte/Anlässe? Habt ihr Tipps zur Kennzeichnung in Restaurants, Einkaufsläden etc., wo der Stock für einen hochgradig sehbehinderten Menschen nicht unbedingt notwendig, vielleicht sogar hinderlich ist?
Quelle: LVTF.de @ Instagram
Das Feedback war unterschiedlich. Einige sagen, sie kennzeichnen sich mit dem weißen Stock und zwei gelben Armbinden, andere wollen von den Armbinden nichts wissen. Ich habe auch Rücksprache mit einem Freund gehalten und bin zu folgendem Entschluss gekommen:
Ich werde mich im Straßenverkehr nach wie vor lediglich mit dem Stock kennzeichnen. Ich nutze ihn sowieso, um mich sicher draußen bewegen zu können. Nun kommt das Argument Ja, aber mit den Armbinden wirst du ja besser gesehen. Dazu gebe ich mal meine Meinung ab, die ich schon länger vertrete und die sich, auch durch diese Beiträge, nicht geändert hat:
Rein rechtlich bin ich mit dem Stock ausreichend gekennzeichnet. Etwas boshaft formuliert: Ich könnte mir auch einen gelben Sack über den Kopf stülpen und drei schwarze Punkte drauf malen, damit man mich besser sieht, aber ich werde es nicht machen. An dieser Stelle bin ich vielleicht auch mal rambohaft. Wenn jemand unachtsam auf dem Gehweg rumsteht und ich mit ihm zusammenstoße, weil ich ihn nicht richtig erkennen kann oder er sogar außerhalb meines Gesichtsfeldes ist, liegt die Schuld nicht bei mir. Wer über meinen Stock fällt, weil er plötzlich von links kommt (mein blindes Auge), kann ich nichts dafür. Wenn ich mit meinem Stock jemand auf dem Fahrrad erwische, weil diese Person auf dem Gehweg unterwegs ist und mich von hinten überholt oder ich ihn von vorne zu schlecht sehen kann (und er kommt ja schneller auf mich zu als jemand zu Fuß), ist das nicht meine Schuld, wenn diese Person deswegen stürzt. Wenn ein normal sehender Mensch den Stock nicht wahrnimmt, dann hat er am Straßenverkehr nicht teilzunehmen oder sollte sich selbst kennzeichnen. Übrigens sieht auch die Deutsche Blindenstudienanstalt e. V. es so, dass der weiße Stock als Kennzeichnung ausreichend ist.
Hier nochmal eine andere Geschichte, die mir in Marburg passiert ist: Ich bin mit dem Stock am pendeln und stoße aus Versehen mit einem Passanten zusammen. Darauf hin wurde mir freundlich von diesem Herrn angeraten, doch auf der Fahrbahn zu laufen, wo ich ihn nicht störe. Und da wundert ihr euch ernsthaft, dass man als sehbehinderter Mitbürger mal aus der Haut fährt?
Und da wir schon gedanklich in Marburg sind: Mir sind aber auch dort Leute begegnet, die neben dem Stock zusätzlich zwei Armbinden, Anstecker und gelbe Mütze mit drei Punkten getragen haben. Mir ist dieser visuelle Overkill zu viel. Selbstverständlich respektiere ich die Entscheidung dieser Menschen, sich so zu kennzeichnen, wenn es ihnen die geforderte Sicherheit gibt. Es kommt ja auch immer darauf an, wieviel ein Mensch noch wahrnimmt (ich habe auch Leute kennengelernt, die zusätzlich zu ihrer Blindheit Hörgeräte getragen haben aufgrund ihrer Schwerhörigkeit – gerade bei solchen Menschen ist es mehr als verständlich, wenn sie sich möglichst gut kennzeichnen möchten).
Ein Punkt blieb aber ungeklärt: Was ist denn nun in Restaurants und öffentlichen Einrichtungen? Da werde ich mich in der Tat auf meinen Restvisus verlassen. Um mich am Buffet zu orientieren, kann ich mein Monokular nehmen. Evtl. nutze ich einen Anstecker zum kennzeichnen (nein, der reicht im Straßenverkehr nicht als Kennzeichnung aus!). Die Armbinden würden vermutlich beim Essen nicht nur hinderlich sein, ich sehe noch ein anderes Problem; und zwar die Kleidung. Trägt man im Winter eine dicke Jacke, bräuchte man andere Armbinden als wenn man in Innenräumen nur ein Hemd trägt. Ich müsste also verschiedene Armbinden für verschiedene Kleidungsstücke haben (oder flexible Armbinden, die ich aber immer umziehen müsste).
Und nun noch ein letzter Kommentar über die anderen sehbehinderten oder blinden Menschen, die mir begegnen: Die erkennen mich, geben sich selbst zu erkennen und man passt auf, dass man eben nicht zusammenstößt. Und zwar aus einem simplen Grund: Der Stock macht Geräusche bei der Benutzung. Somit wissen andere Menschen mit Augenerkrankung oder Blindheit, dass hier jemand kommt, der selber nichts oder nur schlecht sieht. Im Gegensatz zu manch normal sehenden Menschen, die weder Augen, noch Gehirn im Kopf zu haben scheinen.